Extratech Bausatz 1/72
von Stefan Szymanski / November 2019
Zur Geschichte:
Der Cadillac Gage Commando (V-100), häufig auch als M706 bezeichnet, wurde speziell für das U.S. Military Police Corps im Vietnam entwickelt und kam ab September 1963 dort zum Einsatz. Obwohl die primären Aufgaben des V-100 in der Begleitung und Schutz von Fahrzeug-Konvois bestand, wurde das Fahrzeug durch seine Fähigkeiten (u.a. 100 km/h Straßengeschwindigkeit und gute Geländegängigkeit) auch von den anderen alliierten Teilstreitkräften wie der Luftwaffe und des Marine Corps, sowie der ARVN eingesetzt.
Der V-100 setzte sich aus einer Besatzung von zwei Personen (Fahrer/ Schütze) zusammen, wobei noch die Mitnahme von 10 Passagieren möglich war. Hierbei standen drei verschiedene Versionen zu Verfügung (V-100, V-150 und V-200), um verschiedene taktische Schlachtfeldrollen einnehmen zu können. Nach dem Rückzug des U.S.-Militärs aus Vietnam wurde die Commando-Serie nach und nach aus dem Dienst genommen und durch den M1117 ersetzt.
Wegen seiner Effektivität wurde und wird der V-100 immer noch in vielen Armeen der Welt eingesetzt (u.a. Vietnam, Thailand, Philippinen, Venezuela etc.) und auch diverse SWAT-Teams in den USA, sowie das LAPD (Los Angeles Police Department) wussten lange den Commando für ihre Zwecke zu nutzen, wobei man hier auf einen fest montierten Rammbock zurückgriff. Zwar wurden hier die Fuhrparks im Laufe der Jahre auch modernisiert, doch weiß man den V-100 als ein taktisch wertvolles Werkzeug für gewisse „Spezialaufgaben" immer noch zu schätzen.
Der Bausatz:
Lange Jahre führte der Bausatz von ExtraTech in einer meiner vielen Schubladen ein tristes und vergessenes Dasein, bevor ich auf den kleinen Schatz wieder aufmerksam wurde, als ich nach einem passenden Modell für ein Vietnam-Setting suchte.
Mittlerweile dürfte es sich bei diesem Bausatz sogar um eine Rarität handeln, die nur noch schwer zu bekommen sein dürfte. Eigentlich schade, da man hier von einer überdurchschnittlichen Qualität sprechen kann. So setzt sich der Bausatz aus einer sehr übersichtlichen Anzahl von Resinteilen, sowie einem kleinen Ätzteilbogen zusammen. Die Qualität der Resinteile kann man durchaus als überdurchschnittlich bezeichnen. Brüche, Lufteinschlüsse oder verschwommene Details sucht man hier vergeblich. Im Gegenteil, obwohl der V-100 eher schlicht aufgebaut ist, sind die wenigen Details scharf und gut wiedergegeben. Nur die mittlerweile nicht mehr zeitgemäßen dicken Angussblöcke könnten hier zum Meckern auf einem verdammt hohen Niveau verleiten.
Mit dem beiliegenden, sauber gedruckten Decal-Bogen lassen sich fünf verschiedene, zum Teil farbprächtige V-100 gestalten, die sich alle auf Fahrzeuge der U.S. Militär Polizei in Vietnam beziehen.
Der Bau:
Wie bei fast allen Resinbausätzen, machte hier das Entfernen der Gussblöcke, sowie das anschließende Verschleifen der jeweiligen Bauteile den Anfang. Bei der Montage der wenigen Bauteile erstellte ich drei verschiedene Baugruppen (Chassis, Turm und Räder), um es bei den späteren Lackierarbeiten so einfach wie möglich zu haben.
Schon bei Anbringung der ersten Ätzteile stelle ich fest, dass das Handling des Modells (Chassis) immer schwieriger wurde. So setzt sich der Ätzteilbogen aus vielen Kleinteilen wie Griffe und Außenspiegel zusammen, die sich auf den ganzen Bereich des Chassis verteilen. Die Gefahr, schon montierte Teile wieder abzubrechen, wurde von Teil zu Teil immer größer. Die Lösung lag in einer Bohrung, die ich im Bereich des späteren Turms durchführte und hier das Modell mit einem Zahnstocher und Holzleim fixiert. Nun verfügte ich mit dem verklebten Zahnstocher über eine passende Griffhilfe, die es unnötig machte, dass Modell direkt in den Fingern zu halten (der Zahnstocher wurde erst nach Abschluss aller Lackierarbeiten und der Montage der Räder wieder entfernt!).
Die beiliegenden Ätzteile werten das Modell ungemein auf, doch benötigt man hier für die Montage viel Fingerspitzengefühl, gute Augen oder Sehhilfen, sowie eine Kombination aus spitzer Pinzette und ruhigen Händen. Verwunderlich war, dass man bei der guten Qualität eine Anhängekupplung anscheinend komplett vergessen hatte. Hier wurde Abhilfe mit passenden Teilen aus der Restekiste, sowie Plastiksheet geschaffen.
ExtraTech bietet dem Modellbauer die Möglichkeit, den Außenbereich des Turms mit einem schweren cal .50 Browning-MG auszustatten, doch nahm ich Abstand davon, da mir das wuchtige MG zu sehr die schnittige Silhoulette des V-100 störte und einfach zu überproportuniert wirkte. Da das MG aber über eine hervorragende Qualität verfügt, wird dies bestimmt noch bei späteren Modellen eine Verwendung finden.
Die Farbgebung:
Wie bei allen damals eingesetzten Fahrzeuge der USA in Vietnam sollte hier ein zeitgemäßes U.S.Olive Drab zum Einsatz kommen. Hört sich einfach an, doch wurde es jetzt kompliziert. Tatsächlich zeigen fast (!) alle Originalbilder aus dieser Zeit nahezu schwarzgrüne Commandos. Das grün ist dabei zum Teil so dunkel, dass man fast schon von einem schwarz reden kann. Irgendwie konnte ich mich aber mit dem Originalfarbton nicht richtig anfreunden. Gerade auch durch den kleinen Maßstab war die Gefahr einfach zu groß, dass das Modell von dem schwarz in Verbindung mit den vielen großen Freiflächen einfach „verschluckt" werden würde. Zudem wollte mir nicht einleuchten, welchen Sinn dann die zum Teil schwarzen Schriftzüge („Military Police") des Decal-Bogens noch haben sollten. Die Lösung lag in eine Art Kompromiss, bei dem ich ein eher dunkleres Olive Drab verwendete. Das mag nicht zu 100% dem Original entsprechen, stand aber dem späteren fertigen Modell viel besser zu Gesicht und berücksichtigte zudem den typischen Maßstab-Effekt (je kleiner das Modell, desto heller der Farbton des Originals).
Bei der Farbgebung verwendete ich ein Olive Drab von Vallejo, wobei ich mit einem stark aufgehellten Farbton der gleichen Farbe schon gewisse Lichtpunkte setzte. Die kleinen Sichtfenster malte ich in einen tiefen schwarz aus, welche ich später mit einem Grau ein wenig „gebrochen" und anschließend mit glänzenden Klarlack versiegelt wurden, um einen Glas-Effekt zu erzielen.
Decals:
Wie schon vorher erwähnt, hat man hier fünf Möglichkeiten zur Auswahl. Ich entschied mich für ein Commando der 18th Military Police Brigade/ 93rd Battalion, welches 1971-72 im Bereich von Long Binh/ Süd-Vietnam im Einsatz war. Die Decals bestätigten den ersten guten Eindruck und ließen sich problemlos verarbeiten.
Alterung:
Nachdem alle Decals angebracht waren, wurde das ganze Modell wieder mit Klarlack versiegelt, um die Decals unempfindlich gegen Lösungsmittel zu machen, die noch zum Einsatz kommen sollten.
Nachdem ich ein leichtes Drybrushing mit einem helleren Farbton des Olive Drab durchgeführt hatte, um u.a. erhabene Stellen und Kanten zu betonen, stellte ich dezent mit einem „Schoko-Braun" einige Korrosionsschäden in den typisch stark genutzten Bereichen wie Anschlag-Ösen, Griffe etc. dar.
Mit dunkelgrüner Ölfarbe platzierte ich noch einige Schlieren und Benzinreste im Bereich der Tankdeckel, bevor ich das ganze Model ein Washing mit „50% Umbra gebrannt/ 50% VanDyck-Braun" (Ölfarben) unterzog. Nachdem Abtrocknen wurde das ganze Modell mit einem matten Klarlack versiegelt. Beides dunkelte das Grün dazu noch einige Nuancen weiter ab, was der Annäherung ans Original nur förderlich war.
Nun wurde es Zeit für Verschmutzungen in Form von Pigmenten. Schaut man sich Modelle oder/und Dioramen aus dem Vietnamkrieg an, so sieht man hier immer wieder die typisch rote Erde, wie man diese angeblich(!) in Vietnam vorfindet. Die Betonung liegt hier aber auf „angeblich", den tatsächlich findet man genau diese rote Erde nur an einer bestimmten Stelle in Vietnam, nämlich bei Khe Sanh vor. Die genaueren geologischen Gründe kann und will ich hier nicht weiter erläutern, hat aber wohl etwas mit einem vulkanischen Ursprung zu tun. Da ich vor einigen Jahren das wahnsinnige Glück hatte, Vietnam von Hanoi bis Saigon zu bereisen, kann ich diese These nur bestätigen. Die Erde hat dort den gleichen schlichten Ton, wie in ganz Asien auch. Dies sei aber nur am Rande erwähnt, da ich mich den Bann dieser roten Erde auch nicht komplett entziehen konnte, obwohl Khe Sanh und Long Binh doch einige hundert Kilometer auseinanderliegen. Es steht einem Vietnam-Modell einfach zu gut zu Gesicht. Vorwiegend staubte ich hier die unteren Flächen des Modells und die Reifen ein, wobei ich bei den Reifen noch den „Thinner for washes" (MIG) nutzte, um das Gummi-Profil besser betonen zu können.
Abschlussarbeiten:
Nach Abschluss aller Farb- und Alterungsarbeiten konnten nun die finalen Montagearbeiten erfolgen. Den Anfang machten die Räder, anschließend konnte der Zahnstocher als Griffhilfe entfernt werden. Nun fand auch der Turm seinen Bestimmungsort. Mit dünnen Federstahl fertigte ich noch die Antennen im Heckbereich, womit auch die eigentlichen Arbeiten am V-100 abgeschlossen waren.
Idee zum Diorama:
Gerade das Thema Vietnamkrieg bietet dem Dioramenbauer viele Möglichkeiten, doch muss man gerade auch diesen Themenbereich als sehr anspruchsvoll ansehen. Meiner Meinung nach gehört dieser sogar zu den anspruchsvollsten seiner Art, da man es hier meistens mit den Königsdisziplinen wie Vegetation (Dschungel) und Wassergestaltung (Mekong) zu tun bekommt. Dazu kommt ein fast nicht vorhandener Markt an Zubehör jeglicher Art (Gebäude, Figuren, Accessoires) für den Modellbauer, so das man hier vorwiegend auf Eigenarbeit angewiesen ist, gerade im kleinen Maßstab. Das schreckt ab! Da es sich hier um mein erstes Vietnam-Diorama überhaupt handelte, wollte ich erstmal klein anfangen und mich einer kleinen Vorstadt-Szenerie widmen. Auf der Suche nach diversen Vorlagen im Internet stieß ich auf ein sehr beeindruckendes Diorama eines unbekannten Erbauers, welches eben genau einen V-100 im größeren Maßstab in einer nahezu perfekten Szenerie zeigte. Die Szene hatte es mir so angetan, dass mir einfach keine andere Alternative mehr einfallen wollte. Ich hatte mich hier quasi geistig festgefahren. Mein Diorama ist also nicht meinem kreativen Geist entsprungen, sondern „abgekupfert", mit dem Hauch persönlicher Noten und Möglichkeiten des eigenen Könnens (der unbekannte Vorlagengeber möge mir verzeihen).
Bau des Dioramas:
Da hier die Grundarbeiten immer die gleichen sind (Bestimmung der Proportionen, Holzleisten, Grundplatte, Lackierung etc.) beziehe ich mich nur auf die Gestaltung der Szenerie.
Während die Darstellung des kleinen Ausschnitts der Asphaltstraße mit Hilfe eines feinen Schmirgelpapiers noch relativ einfach war, gestaltete sich der Rest doch schon schwieriger. Die Bordsteine und die Mauer fertigte ich aus Styrodur, wobei Stecknadelköpfe die Säulenkugeln ersetzten. Da Styrodur sehr anfällig gegenüber Lösungsmittel aller Art ist, ich auf diese im Laufe der folgenden Arbeiten aber nicht verzichten wollte, versiegelte ich das Material mit verwässerten Moltofill und Acrylfarben. Gleichzeitig konnte ich auch so die Flächen des zum Teil grobporigen Styrodurs verfeinern. So wiederholte ich diesen Vorgang so lange, bis ich mit der Qualität der Flächen und der Versiegelung soweit zufrieden war.
Den Strommast ergatterte ich aus dem Modell-Eisenbahnbereich und passte diesen meinen Bedürfnissen weiter an. Dabei wurden unnötige Teile entfernt und durch eine Straßenlaterne (Eigenarbeit), passend ausgedruckten Verkehrsschildern und Stromleitungen in Form von dünnen Kupferdraht ersetzt. Das Werbeschild entstand ebenfalls durch einen passenden Ausdruck am Drucker und Plastiksheet.
Zuerst hegte ich den Plan (halt passend zu Vietnam), eine Palme zu verwenden. Doch verwarf ich diesen Plan wieder schnell, da diese Palme im Gesamtbild eher störend und deplatziert gewirkt hätte. Stattdessen griff ich auf einen herkömmlichen Baum aus dem Restesortiment zurück, die übrigens auch im Vietnam wachsen. Bei der Begrünung griff ich auf die üblichen Utensilien aus dem Zubehörbereich (MiniNatur, Noch, Fredericus Rex) zurück. Die Bodengestaltung erfolgte primär mit Vogelsand, den ich im frisch aufgebrachten Zustand (durch ein Holzleim-/ Wassergemisch) mit Heilerde auflockerte.
Bei der Farbgebung versuchte ich die Farbtöne zu berücksichtigen, wie man diese in Vietnam an Gebäuden oder Mauern oft vorfindet. Mit Ölfarben und Pigmenten erfolgten auch hier die typischen Alterungsarbeiten. Bei dem Boden benutzte ich mehrere Braun- und Erdfarbtöne, wobei aber auch hier die „typisch" rote Erde in Form von Pigmenten zum Einsatz kam. Mit der Anbringung eines passenden Typenschilds waren nun auch die Arbeiten am Diorama abgeschlossen.
Figuren:
Wenn der Modellbaumarkt im kleinen Maßstab etwas braucht, dann sind es Figuren aller Art aus dieser doch interessanten Zeitepoche. Leider konnte man die bisher brauchbaren und auch erhältlichen Figuren an knapp zwei Händen abzählen. Der deutsche Kleinserienhersteller Germania schafft hier nun Abhilfe. Einiges ist schon erschienen und vieles soll hier noch folgen (Stand November 2019). Dementsprechend fündig wurde ich dann beim besagten Hersteller, der u.a. ein Figurenset „US-Ranger/Vietnam" im Sortiment führt. Die Figuren verfügen dabei über eine ausgezeichnete Qualität, nur ersetzte ich die Köpfe mit Buschhüten gegen passende Köpfe mit Helmen, um eben die besagten Militärpolizisten darstellen zu können.
Die Bemalung erfolgte hier ausschließlich mit Ölfarben. Wirklich schwierig gestaltete sich dabei die Darstellung der typischen MP-Zeichen am Ärmel und Helm, inklusive der charakteristischen rot-weißen Streifen. Während ich bei den MP-Zeichen auf passende Decals (Reste des Decalbogens des V-100-Bausatzes) zurück greifen konnte, mussten die Streifen per Pinsel aufgebracht werden. Hier stößt man dann irgendwann auch an die bekannten Grenzen der Darstellung, die der Maßstab einfach vorgibt. Zu guter Letzt war aber auch diese Hürde genommen und die Figuren konnten ihren bestimmten Platz auf dem Diorama einnehmen.
Fazit:
Es ist immer interessant und faszinierend, sich beim Modellbau neuen militärhistorischen Epochen zuzuwenden. So wurde von mir gerade der Vietnamkrieg wegen der mangelnden Auswahl und auch des mit Sicherheit erhöhten Aufwands gemieden. Die Zeiten sind nun vorbei. Ich würde sogar behaupten, dass mich ein gewisser „Nam-Virus" gepackt hat. Durch den hervorragenden V-100-Bausatzes von Extratech bin ich auf den Geschmack gekommen und werde mich auch bei meinen nächsten Arbeiten ausschließlich dieser Epoche in Süd-Ost-Asien widmen.
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